Leben im Armenviertel in Peja (Foto AB) |
Das Stadtviertel versinkt im Müll, ganze Abfallberge werden achtlos auf den Straßen verbrannt. Das trostlose Armenviertel in Peja, im Westen des Kosovo soll jetzt Ardian Canajs neues Zuhause sein. Der 20-Jährige ist in Deutschland geboren und aufgewachsen, wurde aber vor sieben Monaten in die Heimat seiner Eltern abgeschoben. "In Deutschland bin ich in die Schule gegangen, doch hier ist damit Schluss. Ich muss arbeiten, um meine Miete zu zahlen", erklärt Ardian Canajs. Doch er verdient nur 100 Euro im Monat – und allein für die Miete braucht er 120. "Ich fühle mich richtig schlecht hier. Ich habe weder Familie, noch sonst jemanden, der mir nahe steht. Hier sehe ich keine Zukunft für mich", sagt der junge Mann.
Jeder Vierte denkt an Selbstmord
Seit 2009 darf Deutschland Kosovaren abschieben. Zudem unterschrieb 2010 der damalige
Ardian Canaj |
Das ist fast immer der Fall, zeigt die UNICEF-Studie "Stilles Leid", die Ende März in Berlin vorgestellt wurde. "Die Jugendlichen leiden häufig an Depressionen", erklärt die Sozialwissenschaftlerin Verena Knaus von UNICEF. "Wir haben Kinder, die unter Angstzuständen leiden, die sich sogar mit konkreten Selbstmordgedanken quälen: Einer von vier will sich das Leben nehmen."
Probleme sind sichtbar
Shkëlzen Rama - "Was können wir ihnen bieten?"(AB) |
Shkëlzen Rama, ein 52-Jähriger aus der Gegend, in der jetzt auch der junge Ardian wohnt, hat die Probleme der abgeschobenen Jugendlichen und Kinder oft mitbekommen: "Sie können sich kaum in unsere Gesellschaft integrieren: Wer in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, spricht meistens kaum Albanisch." Auch die Unterschiede im Lebensstandard sind kaum zu überbrücken: "Unsere Kinder geben sich mit einem Stück Brot und einer Paprikaschote zufrieden, aber was können wir jungen Menschen geben, die im Westen aufgewachsen sind und an Pizza und Eis am Stiel gewöhnt sind?"
Armut und Diskriminierung
Das Kosovo ist das ärmste Land Europas, mit einer Arbeitslosigkeit von 40 Prozent. Doch für Ardian geht es um noch mehr als Armut. Seine dramatische Lage wird durch seinen ethnischen Hintergrund zusätzlich erschwert: Er gehört zur Minderheit der sogenannten Kosovo-Ägypter. Genau wie Angehörige der Roma und Aschkali werden diese von serbischer und albanischer Seite abfällig als "Zigeuner" bezeichnet. Kosovo-Ägypter berufen sich auf ägyptische Wurzeln und die Gruppe der Aschkali auf persische. Kurz nach dem Krieg wurden Angehörige aller drei Gruppen von den Albanern vertrieben, weil man ihnen vorwarf, mit den Serben kollaboriert zu haben. Solche Vorwürfe führen auch heute noch zu Fällen von Diskriminierung der Roma, Ashkali und Kosovo-Ägyptern im Alltag.
Abschiebung zerstört Familien
Faruk Kelmendi ist jetzt ohne Familie
Faruk Kelmendi ist jetzt ohne Familie(Foto AB) |
"Meine Ehefrau hat mich anfangs noch finanziell unterstützt, aber dann kam es zur Trennung. Sie lebt weiterhin mit unserer Tochter in Deutschland und ich hier – diese Entfernung war eine zu große Belastung für die Beziehung." Jetzt ist Faruk Kelmendi ganz allein.
Materielle Not und völlige Einsamkeit: Seit seiner Abschiebung aus Deutschland sind das auch die ständigen Begleiter des Kosovo-Ägypters Ardian Canajs. "Ich würde alles darum geben, um nach Deutschland zurückzukehren", sagt der 20-Jährige. "Denn dort habe ich mein ganzes Leben zurückgelassen."
Ajetë Sh. Beqiraj, Deutsche Welle.
17 july 2012
17 july 2012