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Zwei kosovarische Studentinnen mit Kopftuch(Foto AB) |
Der Islam im Kosovo gilt als europäisch und westlich ausgeprägt. Obwohl die Mehrheit der Menschen im Land muslimischen Glaubens ist, stellen nur wenige ihre Religiosität öffentlich zur Schau.
Kopftücher bargen im Kosovo bisher wenig Konfliktpotential. In vielen traditionellen Familien trugen ältere Frauen oft noch Kopftuch, wenn sie außer Haus gingen, während die jüngere Generation mehr und mehr mit dieser Tradition brach. Insbesondere Mädchen und junge Frauen die studierten oder im städtischen Umfeld lebten und arbeiteten, legten Wert auf Mode und folgten westlichen Trends – ohne Kopftuch.
Im sozialistischen Jugoslawien hatte der Staat den Einfluss der Imame zurückgedrängt. Vorbild für junge Menschen wurde Westeuropas offene Gesellschaft. Der Glauben wurde zwar gepflegt, galt aber als Privatsache. Seit dem Ende des Kosovo-Konflikts engagierten sich jedoch zunehmend religiöse Hilfsorganisationen aus arabischen Ländern im Kosovo. Frauen und Mädchen die an ihren Hilfs- und Bildungsprogrammen teilhaben wollten, mussten dafür wieder traditionelle Rollenmodelle akzeptieren. So erlebte auch das Kopftuch in den letzten Jahren im Kosovo eine Renaissance. Es wurde für viele Muslima auch zu einem Identifikationsmerkmal zur Abgrenzung gegen das atheistische Erbe des sozialistischen Jugoslawiens.
Religiosität im Kosovo - Präsent aber nicht dominant
So trägt Besa Ismajli, 34 Jahre, aus Mitrovica seit zehn Jahren wieder ein Kopftuch. Kein Fremder hat seit dem ihre Haarfarbe und ihren Schmuck gesehen. Auf den ersten Blick sieht sie aus wie eine gewöhnliche Mutter und Hausfrau. Aber sie hat einen Master absolviert, lehrt an der Universität und in einem privaten College.
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Religiosität im Kosovo - Präsent aber nicht dominant |
Besa Sie ist hingegen davon überzeugt, dass diejenigen, die westliche Werte auf ihre Fahnen schreiben, mehr Respekt vor der Vielfalt und Freiheit der Gläubigen zeigen sollten. "Gerade hier bemerke ich die Intoleranz der Gesellschaft in Kosovo. Da frage ich mich: 'Wenn wir Andersdenkende nicht akzeptieren, wie wollen wir dann Menschen aus anderen Ländern akzeptieren, wenn wir ein Teil der großen europäischen Familie werden?' Ich bin zu 100 Prozent aus Kosovo und für Kosovo und es besteht kein Grund, mich in irgendeiner Form auszuschließen," sagt Besa.
Berufung auf Religionsfreiheit
Doch genau das soll geschehen: Laut einer Verwaltungsanweisung des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Technologie werden die Studentinnen in Zukunft nicht mehr verhüllt studieren dürfen. Das Kopftuchverbot greift bereits in der Sekundarstufe. Bei einem Verstoß gegen diese Anweisung sollen die Betroffenen vom Unterricht ausgeschlossen werden.
Die islamische Gemeinde protestierte und bezeichnete die Anweisung als "eine drastische Verletzung der Menschenrechte". Ferner widerspricht sie heftig dem Ausschluss der Schülerinnen und Studentinnen aus dem Unterricht, wenn sie ein Kopftuch tragen.
"Das Kopftuch ist nicht gleichzusetzen mit dem Kreuz bei den Christen oder dem Halbmond bei den Muslimen. Das Kopftuch ist ein islamischer Grundsatz, festgelegt in den religiösen Regeln und aus diesem Grund ist es ein untrennbarer Bestandteil des Glaubens einer muslimischen Frau", sagt der Hauptimam der islamischen Gemeinde von Kosovo, Sabri Bajgora.
Imam droht mit Konsequenzen
Sabri Bajgora kritisiert das Kopftuchverbot
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Sabri Bajgora kritisiert das Kopftuchverbot(Foto AB) |
Bei den Kosovaren gehen die Meinungen über das Tragen eines Kopftuches auseinander. Der Student Bekim Kastrati aus Malisheva sagt: "Nein, das Kopftuch stört mich überhaupt nicht. Mir gefällt eine verhüllte Frau sogar sehr." Drita Krasniqi aus Prizren meint dagegen: "Würde mein Mann mich verhüllen, würde ich mich im Nu von ihm scheiden lassen. Denn wenn eine Frau Charakter und Moral hat, ist ein Kopftuch nicht möglich."
"Es würde mich nicht stören, eine verhüllte Frau zu heiraten. Im Gegenteil, ich würde sie mehr achten, wenn eine verhüllte Frau mich so annehmen würde, wie ich bin", hält Ilir aus Decan dagegen. "Weil wir danach streben, einige Standards zu erfüllen, sollten wir nicht solche Barrieren schaffen, und die Gesellschaft spalten", meint er.
Autorinnen: Ajete Beqiraj / Mirjana Dikic
Redaktion: Fabian Schmidt
17 juny 2010
17 juny 2010